Wie sich Menschen organisieren, wenn Ihnen keiner sagt, was sie tun sollen
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… unter diesem Titel hat der von mir sehr geschätzte Unternehmer, Autor, Redner und „New-Work-Vordenker“ Dr. Lars Vollmer im vergangenen Jahr ein Büchlein veröffentlicht, das ich mir kürzlich via Audible laufend auf die Ohren gegeben habe – sehr kurzweilig und authentisch, insbesondere da es von Lars persönlich gelesen wird. Es adressiert ein Thema, mit dem ich mich seit Jahren intensiv beschäftige und zwar mit wirkungsvollen Strukturen für Selbstorganisation. Lars ist in seinen Büchern recht radikal und provozierend, aber nicht realitätsfremd. Damit unterscheidet er sich von manchen anderen hier nicht genannten Autoren, die mich ebenfalls inspiriert haben. „Wie sich Menschen organisieren, wenn Ihnen keiner sagt, was Sie tun sollen“ ist eine prägnante Zusammenfassung der Haltung von Lars in 7 ½ Gedanken auf 86 Seiten. Bereits durch seine Bücher „Wrong Turn – Warum Führungskräfte in komplexen Situationen versagen“ und „Zurück an die Arbeit – Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden“ habe ich vielfältige Impulse für Selbstorganisation und zur Entschlackung von ineffektiven Organisationen bekommen. Viele dieser Impulse habe ich in die Organisation unseres Unternehmens noventum einbauen und in Kulturprojekten bei unseren Kunden nutzen können.
Die bereits erwähnten 7 ½ Gedanken beschäftigen sich mit echten Problemen, Mannschaftssport, Ämterlosigkeit, dem Teilen der Beute, der Kraft von Prinzipien, dem Volkswissen und dem Unterschied von Planung und Vorbereitung. In jedem Gedanken stecken wertschätzende Analysen, warum die Dinge meist so ineffizient sind wie sie sind. Sie beinhalten konkrete Ideen, wie mit Änderungen der Spielregeln bessere Ergebnisse erzielt werden können. Keine Patentrezepte, aber wirklich sehr nachvollziehbare Hinweise, insbesondere wenn man bereits ein Gefühl von der Kraft der Selbstorganisation entwickeln konnte. Dies ist aus meiner Sicht absolut lesens- und hörenswert.
Lars Vollmer gehört zu den Menschen, die mir viele wertvolle Impulse zur Selbstorganisation gegeben haben. Darüber hinaus habe ich viele weitere Anregungen u.a. von den Autoren Frederic Laloux, Niels Pfläging, Stephanie Borgert, Andreas Zeuch, Patrick Lencioni, Jeff Sutherland, Hermann Arnold, Martin Permantier, Brian J. Robertson, Daniel Pink, Gary Hamel, Boris Gloger, Valentin Nowotny und Bernd Oestereich bekommen. Alle Theorien dieser Autoren sind in sich schlüssig und überzeugend, jedoch ist alle Theorie grau und daher habe ich mich mit vielen Unternehmern über die praktische Anwendung von Selbstorganisation ausgetauscht. Auf meiner Selbstorganisationssafari durfte ich spannende Organisationskonzepte erfolgreicher Unternehmen live kennenlernen, so bei Buurtzorg, Svenska Handelsbanken, movingimage, sepago, short cuts, orderbase, Hanseatic Bank und Haufe Umantis. So ähnlich die Prinzipien überall sind, so unterschiedlich ist die spezielle Ausprägung. Ein Patentrezept gibt es nicht – wie erwartet. Schließlich hat jedes Unternehmen seine Historie und seine Persönlichkeiten mit entsprechenden Glaubenssätzen.
Würde ich ein Buch über Selbstorganisation schreiben, würde ich aus all dem bisher Gelernten die wesentlichen drei Orientierungsanker „Sinnorientierung“ – „Autonomie“ und „Leistungsorientierung“ hervorheben. Sinnorientierung beinhaltet für mich die Stichworte Mission, Vision, Werte und Leitbild. Alles aber bitte so, dass es wirklich erlebbar und in den Emotionen vieler Stakeholder verankert ist. Zu Autonomie gehören nach meiner Einschätzung Vertrauen, Verantwortung und Resilienz. Wie man eine Vertrauens- und Verantwortungskultur fördert, durfte ich in 13 Jahren Great Place to Work ®-Erfahrung umfassend üben. Schließlich habe ich auch gelernt, dass Sinnorientierung und Autonomie ihre Kraft nur dann entfalten, wenn die gesamte Organisation sich einer Leistungsorientierung verschreibt. Hier sind Zielorientierung, Controlling as a Service, Transparenz und messbarer Beitrag die Schlüsselworte.
All diese schönen und heute meist positiv besetzten Begriffe gilt es nun mit unternehmensindividuellen Prinzipien und Spielregeln auszustatten und sie dann anzuwenden. Dazu ist nicht nur ein guter Plan erforderlich, sondern noch viel mehr die Bereitschaft, mit dem Feedback aus der Organisation immer wieder zu lernen und den Plan anzupassen. Agile Arbeitsweisen helfen dabei enorm.
Lust hätte ich schon, aus meiner Perspektive als neugieriger Unternehmer auch ein Buch über Selbstorganisation zu schreiben und damit eine weitere Sicht auf ein gut ausgeleuchtetes Thema zu geben. Vorerst begnüge ich mich einmal damit, weitere Erfahrungen im eigenen Unternehmen zu sammeln, mit vielen anderen Vorreitern moderner Unternehmenskultur Erfahrungen auszutauschen und weitere Bücher zu lesen oder zu hören. So z.B. das neueste Werk von Lars Vollmer „Gebt Eure Stimme nicht ab – Warum unser Land unregierbar geworden ist“. Ein provozierender Titel, der auf den ersten Blick für mich nicht nachvollziehbar ist. Ich bin neugierig.