New Pay – Welches Vergütungssystem passt zu New Work?

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Blog, People & Culture

New Work ist weit ausgeleuchtet …

Mit New Work beschäftige ich mich seit der Gründung meines Unternehmens vor 21 Jahren. Systematisch und intensiv beleuchte ich New Work unter dieser Vokabel seit mehr als 12 Jahren. Spätestens seit dem Beginn unserer Great Place to Work Wettbewerbsteilnahmen und Analysen beginnend im Jahre 2005 hat sich mein Bild über zeitgemäße Arbeitsbedingungen zunehmend geschärft. Es gibt unzählige „best practices“, wie Unternehmen ein Klima von Glaubwürdigkeit, Respekt, Fairness, Stolz und Teamgeist herstellen können. Auch mangelt es nicht an Organisationsmodellen, wie eine vertrauens- und leistungsbasierte Unternehmenskultur gefördert werden kann. Niels Pfläging hat dazu beispielsweise den beta codex und die Komplexithoden definiert, Frederic Laloux hat in seinem „reinventing organizations“ in Anlehnung an „spiral dynamics“ die Grundlagen von selbstorganisierten Unternehmen verdeutlicht, Brian Robertson hat mit seinem Organisationsmodell Holacracy einen sehr konkreten Rahmen entwickelt und schließlich hat das Great Place to Work Institut mit seinen neun Kulturdimensionen „Akquirieren/Integrieren“, „Inspirieren“, „Informieren“, „Anerkennen“, „Zuhören“, „Entwickeln“, „Fürsorge“, „Feiern/Teamgeist“ und „Beteiligen“ ebenfalls einen ziemlich vollständigen Rahmen beschrieben. Und schließlich sind die überall aus dem Boden sprießenden agilen Organisationsmodelle auch Zeichen einer Etablierung von New Work in den Praktiken der Unternehmen. Bei meiner Betrachtung offensichtlich kulturell exzellent aufgestellter Unternehmen erkenne ich ein Muster bewährter Praktiken. Nur in einem Thema stochern nahezu alle Unternehmen noch im Nebel, und zwar im Thema der fairen Bezahlung in einem New Work Kontext.

 

… New Pay aber noch ein Buch mit sieben Siegeln    

Was ich aber bisher in allen von mir beobachten modernen Unternehmen praktisch nicht gefunden habe, ist ein konsequent auf New Work ausgerichtetes Vergütungssystem, was ich in der Folge als New Pay bezeichnen werde. Mein Geschäftsfreund Sven Franke, der die viel beachtetet Filme Augenhöhe und Augenhöhe Wege produziert hat und damit eine einzigartige Sammlung von New Work Beispielen aufbereitet hat, hat sich dem Thema New Pay jetzt intensiv angenommen und vor einigen Wochen die Blogparade #NewPay etabliert. Den Überblick findet ihr hier: https://www.coplusx.de/2017/10/08/new-pay-die-blogparade-im-%C3%BCberblick// .
Und den eigenen Beitrag hier: https://www.coplusx.de/2017/09/28/blogparade-newpay-was-verdienen-wir-eigentlich/.
Ich habe mir alle 30 Blogartikel durchgelesen und habe dort die Vielfältigkeit dieses Themas gespürt. Wie kann ein Bezug von Wertbeitrag, Effizienz, Effektivität, Rolle, Erfahrung, Alter, Familiensituation, Grundbedürfnissen, Arbeitszeit, Anreiz, Belohnung, Wirksamkeit, Erfolg u.v.m. zur fairer Entlohnung hergestellt werden? Eine Formel dazu habe ich nicht gefunden. Schade. Auch auf die Fragen von Nutzen und Risiko der Gehaltstransparenz und möglicher Praktiken der Selbst- oder Peerbestimmung der Entlohnung habe ich Patentrezepte vermisst. Ein großer Konsens besteht jedoch darin, dass im 21. Jahrhundert insbesondere bei wissensbasierten Organisationen die Entlohnung nicht das Wichtigste ist. Und doch können viele Experten nicht verleugnen, dass ein faires und gerechtes Gehalt – was auch immer das ist – Motivation aufrechterhält und manchmal sogar erzeugt. Auch wenn in den 30 New Pay Blogartikeln Dutzende von Fragen aufgeworfen und praktisch keine abschließenden Antworten gegeben wurden, war das Studium der Beiträge für mich von hohem Wert. Danke Sven, dass Du das Thema zur Diskussion gestellt hast und damit auch bei mir den Prozess der Entwicklung eines zu New Work passenden New Pay Ansatzes beschleunigt hast.

 

Einige Fragen und Antworten in eigener Sache

In Sachen New Pay ist auch mein Unternehmen in einigen Punkten noch voll 90ies, womit wir uns übrigens in guter Gesellschaft befinden. Und doch bewegen mich doch aktuell konkret folgende Fragen:

  • Sind die im Beratungsgeschäft üblichen „fakturierten variablen Anteile“ tatsächlich hilfreich? Ja, damit findet eine partielle Risikobeteiligung der Mitarbeiter statt, was auch deren unternehmerische Sensibilität erhöht. Auch kann es in einigen Fällen zu noch mehr Lust auf Projektauslastung führen. Gebremst wird jedoch manchmal das Interesse, in internen nicht fakturierbaren Projekten Zeit zu investieren oder sich Zeit für die eigene Weiterentwicklung zu nehmen, denn dies würde ja vordergründig erst einmal mit einem Gehaltsverlust einhergehen. Mehr Chance oder mehr Risiko?
  • Ist eine vollständige Gehaltstransparenz förderlich? Transparenz ist mir auf allen Ebene sehr wichtig. Transparenz ist auch die Voraussetzung für Agilität und Selbstorganisation. Nur mit hoher Transparenz werden die Mitarbeiter befähigt, auf Basis fundierter Informationen selbständig bestmögliche Entscheidungen zu treffen. Nur bei den Gehältern hört auch bei uns die (offizielle) Transparenz auf. Sind die Gefahren der Klimastörung durch gefühlte Ungerechtigkeit und Neid tatsächlich so groß? Werden Gehaltsfestlegungen dann zu einem langwierigen und zermürbenden Prozess der viel Schaden anrichtet?

In einem Punkt habe ich den Eindruck, dass wir mit unserem Vergütungssystem schon recht New Work kompatibel unterwegs sind, und zwar bei den Jahresprämien, welche wir im Übrigen nicht als Anreiz (=Möhre), sondern als Belohnung für gemeinsam erarbeitete Früchte des Erfolgs verstehen. Das ist schon psychologisch ein gewaltiger Unterschied. Bei einem Anreiz geht man davon aus, dass die Leistung nur gebracht wird, wenn der Anreiz im Sinne einer Bestechung gegeben wird. Bei der Belohnung wird intrinsische Motivation vorausgesetzt und wenn dadurch entstandenen Überschüsse entstehen, werden sie solidarisch geteilt. Solidarisch heißt bei uns, dass es bei uns nur einen einzigen am Unternehmensergebnis orientierten Prämienschlüssel für alle Mitarbeiter und somit keine individuellen Leistungsschlüssel gibt. Das gilt selbstverständlich auch für Vertriebs- und Führungskräfte, was sicher nicht alltäglich ist. Diese seit Jahren geübte Praxis fördert bzw. erzwingt Kooperation insbesondere bei den Mitarbeitern mit großer Hebelwirkung und sorgt auch für eine soziale Kontrolle auf Peer Ebene. Damit dies funktionieren kann, braucht es allerdings ein hohes Maß an Transparenz und Anerkennung der jeweiligen Wertbeiträge und von Konsequenz bei dauerhaft nicht vorhandener Leistungsbereitschaft.  

Viele weitere New Pay Themen stehen noch auf meiner Agenda zur Überprüfung, wohlwissend dass unausgegorene Experimente mit Vergütungssystemen große Gefahren bergen. Somit freue ich mich, dass sich dieses Thema zunehmend in den Organisationskonzepten betrachtet werden und dass Sven Franke dieses Thema auf seine persönliche Agenda gesetzt hat und damit einen wichtigen Beitrag zu einer breiten Diskussion leistet.

Niels Pfläging

Brian J. Roberts

Frederic Laloux

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