Lückertz, Schlagheck und ReiseArt fusionieren agil
nc360° Interview mit Geschäftsführer Ralf Trilsbeek
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Agile Beratung, Change Management, Innovation Management, Organisationsentwicklung, People & Culture
2020 schlug die Corona Epidemie in der Reisebranche radikal ein. Fast sämtliche Reisen wurden storniert, neue Verträge kamen nicht mehr zustande und nur mit Hilfe der staatlichen Soforthilfen konnten die Reisebüros das sofortige Ende verhindern. Die drei münsterländischen Lufthansa City Center Reisebüros ReiseArt, Lückertz und Schlagheck hatten schon vor Corona über eine verstärkte Kooperation verhandelt, nun beschleunigte die katastrophale Marktlage ihre Pläne und seit April 2022 sind sie unter der Marke „reiseart“ vereint. Die Change-Berater von noventum consulting begleiteten seit August 2021 den Fusions-Prozess und den Aufbau interner Strukturen und der Kommunikation des neuen Unternehmens mit agilen Methoden. In einem Interview berichtet Geschäftsführer Ralf Trilsbeek (ehem. ReiseArt) von dem bemerkenswerten Prozess.
Fusionen sind ein Standardprozess und jede Fusion ist anders
Alle drei Fusionskandidaten waren schon seit vielen Jahren als Lufthansa City Center erfolgreich aktiv und hatten im Einzelfall schon ausführlich kooperiert, so z.B. Schlagheck und ReiseArt im Geschäftsreisesegment.
Große Herausforderungen der Fusion ergaben sich aus der Tatsache, dass Schlagheck (65 Jahre), Lückertz (95 Jahre) und ReiseArt (26 Jahre) Unternehmen mit einer ausführlichen Historie und gewachsenen Strukturen waren, die sie in den Zusammenschluss einbrachten. Unternehmensgeschichte - das bedeutet Kundenbeziehungen, Reise-Produkte, Arbeitsschwerpunkte und nicht zuletzt gewachsene Betriebsstrukturen und Arbeitsbeziehungen. Trotz ähnlichem Geschäftsmodell waren tiefgreifende Abstimmungen und Annäherungen für die Fusion notwendig, um gemeinsam ein Profil für die Zukunft zu entwickeln.
„Für jedes Reisebüro gilt heute, dass neben der Vermittlung standardisierter Fremdangebote ein eigenes, exklusives Portfolio wichtig ist, um eine Zukunft zu haben,“ ist Ralf Trilsbeek überzeugt. „Herauszubekommen, wer was am besten kann, welche Prozesse das künftige Unternehmen am besten tragen und was uns als gemeinsames Unternehmen auszeichnen soll, das waren die zentralen Fragen am Beginn unserer Fusionsgespräche. Dabei erlaubt uns die heutige Unternehmensgröße, alle wesentlichen Segmente professionell zu bedienen. In allem, was wir anbieten, müssen wir uns am Markt auch mit Spezialisten messen lassen. Das geht in unserer heutigen Struktur ungleich besser.“
Der Entschluss zur Fusion fiel bereits im November 2020, im April 2022 meldeten die drei Reiseunternehmen (ausgebremst nur durch Corona) der Öffentlichkeit den Vollzug ihres Zusammenschlusses. Die Traditionsmarken Reisebüro Lückertz und Reisebüro Schlagheck stehen seitdem für die persönliche Reiseberatung mit mehr als 100 Mitarbeitenden an insgesamt 7 Standorten in Münster und dem Münsterland. Die regelmäßigen reiseart-newsletter in der Lufthansa City Center-CI unterstützen den Außenauftritt und verdeutlichen die Fusion für die Kunden aller drei Vorgängerunternehmen. Die Marke reiseart führt die Business Travel-Aktivitäten zusammen, steht aber auch für Incentives & Events und, mit neuer Homepage für die eigenen und exklusiven Themen.
Herkules-Projekt Fusion
Um neben der juristischen und kaufmännischen Fusion auch die konkrete Zusammenarbeit zu fördern, engagierten die Geschäftsführer Laura Brokamp (ehem. Schlagheck), Matthias Lückertz und Ralf Trilsbeek die Berater von noventum consulting. Ziel war es, die drei Unternehmen unter einem Dach auf partizipative Weise neu zu strukturieren und ein zukunftsfähiges Organisationsmodell zu entwickeln. Fokus lag dabei auf der Harmonisierung von Arbeitsweisen und der Stärkung des Zusammenwachsens. Dabei ging es auch darum, drei Geschichten erfolgreicher Unternehmen zusammenzuführen. „Jeder von uns hat sein Unternehmen erfolgreich geführt und dennoch mussten wir uns alle auch in Frage stellen und unsere jeweilige Sicht relativieren. Für diesen Prozess war eine neutrale Begleitung wichtig“, ist Ralf Trilsbeek überzeugt.
Ein zweitägiger Initial-Workshop im August 2021 brachte den Prozess in Bewegung. Neben der Geschäftsleitung nahmen weitere Key Player aus allen Geschäftsbereichen an dem Workshop teil, sodass am Ende 16 Mitarbeitende aus drei Unternehmen an der konkreten Gestaltung der künftigen Zusammenarbeit mitwirken konnten. Z.T. lernten sich die Teilnehmenden erst bei diesem Workshop kennen, der unter Moderation von noventum in einer auswärtigen Location stattfand.
Nach ausführlicher Diskussion eines „Change-Statements“ wurden Herausforderungen des künftigen Unternehmens und Schwachstellen mit der eigenland Methode identifiziert. Der buchstäblich „spielerische“ Ansatz dieser Methode löste anfänglich Staunen bei einigen Teilnehmenden aus. Dieses verwandelte sich aber schnell in Begeisterung. Die erarbeiteten Themen wurden in Handlungsfelder überführt, die die Fusionsarbeit der folgenden Monate bestimmten.
Beispielhaft waren das:
- die Implementierung einheitlicher interner Kommunikationsmethoden und -werkzeuge (TEAMS)
- das Aufsetzen eines gemeinsamen Wikis (wo liegen welche Informationen?)
- die Bereinigung und Zusammenführung der CRM-Daten
- die Etablierung eines Ideen-Kastens für alle Mitarbeitenden
- die Planung und Etablierung von Kommunikationsmaßnahmen im Unternehmen (z.B. monatliches Townhall Meeting, Mitarbeiter-Newsletter)
- die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Impuls, den der Workshop mit noventum setzen sollte, eine so nachhaltige Wirkung zeigen würde. Uwe Rotermund hat mit seiner unnachahmlichen Art den richtigen Funken auf den richtigen Haufen geworfen und damit eine tolle Energie ausgelöst. Weit hinaus über das ursprüngliche Fusions-Team ist im Unternehmen die Bereitschaft sehr groß, an konkreten Verbesserungen mitzuwirken.«
Ralf Trilsbeek
Mit agilen Methoden weiterarbeiten
Der interne Fusionsprozess von reiseart orientiert sich seit dem Workshop mit noventum an agilen Organisations- und Kommunikationsprinzipien. Dabei sollen Transparenz, Reflektion und fortlaufende Anpassungen den Prozess bestimmen.
Für das zentrale Fusions-Team wurde ein Kanban Board errichtet und in den folgenden Monaten die Aufgaben in Weeklys und Retros Schritt für Schritt abgearbeitet. In den Abteilungen Touristik, Eigenveranstaltungen, IT & Orga sowie Corporate Incentives wurden ebenfalls Kanban Boards etabliert und der bereichsübergreifende Austausch gefördert.
Ein wichtiges Merkmal der eigenland-Methode sowie agiler Methoden überhaupt ist es, dass Mitarbeitende unabhängig von ihrer hierarchischen Position im Unternehmen an der Entscheidungsfindung wichtiger Fragen aktiv mitwirken können. „Als wir unsere Sammlung und Analyse beendet hatten, standen wir vor mehr als 30 kleinen und großen Aufgaben. Es war verblüffend, wie schnell danach jede Aufgabe einen „owner“ fand, der sich zuständig und verantwortlich fühlte. Alle Workshopteilnehmenden griffen einzeln oder in kleinen Teams engagiert zu und machten so unsere Fusion zu ihrem eigenen Anliegen,“ erinnert sich Ralf Trilsbeek an die motivierende Stimmung des Workshops.
Die gemeinsame gute Erfahrung und Motivation trugen die Kolleginnen und Kollegen anschließend in ihre Bereiche. Zeitweilig waren in der Folge bis zu 60 Personen an dem einen oder anderen Teilaspekt der Fusion aktiv beteiligt. „Die agilen Prinzipien auch nach dem Workshop einzuhalten und trotz der großen Alltagsbelastung in monatlichen Halbtags-Reviews zu sehen, wie der Stand der Einzelprojekte ist, war anstrengend, aber sehr gut“, ist Ralf Trilsbeek überzeugt. „Zum gegenseitigen Verständnis auch über die Abteilungsgrenzen hinweg tragen diese Meetings erheblich bei und bringen immer wieder zu Bewusstsein, dass die Fusion unser gemeinsames Thema ist.“
noventum-Beraterin Rabea Wolters begleitete den Prozess und konnte gemeinsam mit den reiseart-Verantwortlichen Ende April feststellen, dass eine gute Basis für die weitere Zusammenarbeit geschaffen wurde: „Das reiseart Integrations-Projekt läuft natürlich weiter und es ergeben sich sicher auch in Zukunft neue Aufgaben. Der agile Modus ist aber etabliert und das neue Team ist mit viel Energie bei der Sache.“ Und das bei laufendem Tagesgeschäft, denn in der Touristik-Branche geht es natürlich längst wieder rund.
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