Fachkräftegewinnung in der Provinz

//
Blog, People & Culture

Dramatischer Bewerbermangel

In der vergangenen Woche durfte ich bei zwei Veranstaltungen im Münsterland zum Thema Fachkräftemangel referieren und Impulse geben. Zum einen durfte ich auf Einladung der Stadt Ennigerloh meine Erfahrungen mit den Unternehmern und Bildungsorganisationen der Region teilen, zum anderen konnte ich auf dem Unternehmerfrühstück der Kreissparkasse Steinfurt mein Wissen an deren Firmenkunden weitergeben. Die adressierten Herausforderungen waren bei beiden Veranstaltungen die gleichen. Wie gelingt es Unternehmen im ländlichen Bereich ausreichend attraktiv für Arbeitnehmer zu sein und damit trotz des demografischen Wandels noch ausreichend Fachkräfte zu gewinnen und zu halten? Das ist offensichtlich für die meisten Unternehmen der Region der größte Engpass, denn die Auftragslage ist insgesamt als gut bis sehr gut zu bezeichnen. Insbesondere viele Unternehmen des Handwerks stellen fest, dass sie überhaupt keine Bewerbung mehr bekommen, so dass in einigen Fällen sogar die dauerhafte Existenz des Betriebes gefährdet ist. Hinzu kommt das Problem, dass die fachliche und persönliche Qualität vieler der noch verbleibenden Bewerber deutlich zu wünschen übrig lässt. Der Appell an die Politik und die Bildungseinrichtungen, sich um mehr Qualität bei den jungen Leuten zu kümmern ist wichtig und begründet, jedoch löst dieser das praktische Problem der Unternehmen nicht in einem absehbaren Zeitraum. Also appelliere ich an die Unternehmer, den Fachkräftegewinnungsprozess energisch und verstärkt selbst in die Hand zu nehmen und die Forderungen an Politik und Bildungseinrichtungen gleichzeitig aufrecht zu erhalten.

 

Echte Schönheit kommt von innen – Arbeitgeberattraktivität darf man nicht nur behaupten      

Müssen die Unternehmen zur Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden künftig noch auffälliger und aufwändiger werben? Hilft eine „Employer Branding“ Schlacht? Sicher nicht, wenn die Hausaufgaben bzgl. der echten Arbeitgeberattraktivität noch nicht erfolgt sind. In vielen meiner Gespräche mit Absolventen habe ich die Sehnsucht nach einer verantwortungsvollen Aufgabe, die Spaß macht erkannt - und das bitte in einem Umfeld von Offenheit, Vertrauen und Teamgeist. Darüber hinaus erwarten die Berufsanfänger mehr denn je die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Immer weniger Arbeitnehmer sind bereit, sich bedingungslos aufzuopfern, sind aber sehr wohl bereit, Ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens zu leisten, sofern es für sie Sinn macht. Also muss es bei dem „Employer Branding“ darum gehen, genau dieses herauszustellen. Herauszustellen, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern eine hochgradig sinnvolle Tätigkeit in einem Umfeld von Vertrauen und Teamgeist anbietet. Wenn sich dieses herumspricht, ist das das bestmögliche „Employer Branding“. Dabei sind die besten Markenbotschafter die eigenen Mitarbeiter. Darüber hinaus ist eine werbliche Kommunikation durchaus ergänzend hilfreich, sofern sie glaubhaft vermittelt, dass es sich lohnt, sich zu bewerben. Hierfür eignen sich gut Videoclips, wie z.B. die von www.whatchado.com organisierte Plattform. Ebenso müssen die Unternehmen bei ihrer Personalsuche die social media Kanäle „bespielen“, auch hier wieder mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit. Für die Stärkung der Instrumente, die eine attraktive Unternehmenskultur fördern, hilft es, sich der Analyse des Great Place to Work ® Instituts zu stellen und darauf einen systematischen Weg hin zu einer exzellenten Unternehmenskultur zu planen und zu gehen.      

 

Was wollen denn die Mitarbeiter der Zukunft?

 Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern kommt es heute mehr darauf an, die individuellen Wünsche und Träume der gesuchten neuen Kollegen zu adressieren. In meinen vielen Gesprächen mit Absolventen haben sich folgende Erwartungen an den Arbeitgeber als die meistgenannten herausgestellt

  1. Eine abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Aufgabe, die einen erfüllt und die Spaß macht
  2. Work-Life-Balance, Familienfreundlichkeit, angemessene Anforderungen
  3. Gutes Betriebsklima bzw. Arbeitsatmosphäre, starker Teamgeist
  4. Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, vom Unternehmen finanziert und zeitlich ermöglicht
  5. Aufstiegsmöglichkeiten
  6. Vertrauenswürdiges, sozial engagiertes Unternehmen

Auf dieser Liste fehlen Wünsche wie hohes Gehalt, sicherer Arbeitsplatz oder besondere Sozialleistungen. Diese Wünsche sind sicher nicht unwichtig, sie machen aber nicht den entscheidenden Unterschied bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Das Gesamtpaket muss sich schlicht fair anfühlen. Wenn Unternehmen sich also profilieren bei der Suche nach neuen Mitarbeitern, empfehle ich also insbesondere zu den oben genannten 6 Punkten klare Antworten zu haben und diese auch klar zu verbreiten. Dabei ist es insbesondere bei dem ersten und wichtigsten Punkt besonders schwierig, denn eine passende Aufgabe definiert nun mal jeder für sich unterschiedlich. Hier rate ich zum Mut zur Profilierung und zur ehrlichen Verdeutlichung, warum gerade diese angebotene Aufgabe einen Riesenspaß machen kann. Das oben genannte System www.whatchadoo.com bietet dazu einige Anregungen.

 

Intelligentes Empfehlungsmarketing durch starke Kooperation mit Schulen und Hochschulen

Einen besonderen Punkt des intelligenten Empfehlungsmarketings möchte ich an dieser Stelle hervorheben. Nicht nur die angestellten Mitarbeiter sind sehr gute Markenbotschafter, sondern auch die Schüler und Studenten, mit denen die Unternehmen im Rahmen von Praktika, Projektseminaren, Arbeitenbetreuung, Sprachtrainings und vielen anderen Begegnungen in Kontakt treten. Nicht nur die Schüler und Studenten, die live erleben, warum es Spaß macht, in dem Unternehmen zu arbeiten werden damit erreicht, sondern auch deren Familien und Freunde. Wenn dies dann auch noch über social media und andere Kanäle authentisch „bespielt“ wird, entsteht dadurch die Arbeitgebermarke, die die Unternehmen benötigen. Aus Sicht der Schule ist die Kooperation mit Unternehmen ebenfalls sehr wertvoll. Den Schülern wird damit ein Einblick in das echte Berufsleben gewährt, was die Schule selbst gar nicht leisten kann. Gerade für kleine Handwerksbetriebe ist die Zusammenarbeit mit Schülern jedoch nicht einfach abzubilden. Die Betreuung von Schülern erfordert eine Menge Zeit und Aufmerksamkeit, was im Tagesgeschäft oft eine echte Herausforderung ist. Und doch ist genau diese Investition nahezu „alternativlos“, denn der Bewerbermarkt, den kleinere Unternehmen aus der Provinz mit traditionellen Mitteln zu erreichen versuchen, ist abgegrast.

 

Konzertierte Aktionen braucht das Land

Konzertierte Aktionen, wie z.B. die Etablierung von „summer schools“, die von Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Wirtschaftsförderung, Schulen, Hochschulen und regionalen Unternehmen organisiert werden, können dabei helfen, sowohl das Qualifikationsniveaus der Berufsanfänger gezielt zu steigern und gleichzeitig im Sinne des „Employer Branding“ die Berufsanfänger auf Unternehmen aufmerksam zu machen, bei denen es sich lohnt, zu arbeiten. Diese Idee wurde vom Bürgermeister der Stadt Ennigerloh Berthold Lülf im Rahmen der Diskussion im Anschluss an meinen Vortrag auf den Tisch gelegt. Ich bin gespannt, ob sich diese Idee in Ennigerloh durchsetzt und würde mich sehr darüber freuen, wenn dies gelingt.  

Zurück