Wenn IT-Ausschreibungen zum Stolperstein werden
12 Todsünden für einen geplanten Misserfolg
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IT Strategy, IT-Ausschreibung, IT-Sourcing, noventum
IT-Outsourcing ist Standard. Entscheidet sich ein Unternehmen dazu, seine IT von einem Dienstleister betreiben zu lassen, ist das kein ungewöhnlicher Vorgang. Und doch ist der Weg zum Sourcing-Partner oft nicht leicht und geplatzte Sourcing-Verträge nicht selten. Doch was ist schief gegangen, wenn die Partnerschaft keine rechte Freude macht? IT-Ausschreibungen sind die Königsdisziplin auf dem Weg zum richtigen Dienstleister, sei es für ein Einzelgewerk oder eine fortlaufende Leistungsübernahme. Und hier läuft oft manches schief. Mangelnder Abgleich mit der eigenen IT-Strategie, handwerkliche Fehler im Ausschreibungsprozess oder der Mangel an Erfahrung im Umgang mit Providern gehören zu den häufigsten Fehlern in aktuellen Ausschreibungen. Ausschreibende Unternehmen haben die Verantwortung für den Ausschreibungsprozess und sollten aus eigenem Interesse gut vorbereitet sein.
IT-Strategie, Sourcing-Strategie und IT-Ausschreibung gehören zusammen
Es klingt wie aus der Gebetsmühle von IT-Management Beratungen und ist doch richtig: am Anfang einer jeden größeren Veränderung stehen die Grundsatzfragen. Was ist unser Geschäftszweck? Welche strategische und operative Bedeutung hat unsere IT für das Geschäft? Wie ist unsere IT-Infrastruktur konkret aufgestellt? Was wollen wir verändern? Was wollen wir selbst tun, was wollen wir outsourcen? Erst wenn diese Rückversicherung in der Unternehmensstrategie geleistet ist, kann eine IT-Ausschreibung mit Hand und Fuß aufgesetzt werden. Unternehmen, die nicht zum ersten Mal ausschreiben, kennen diese Forderungen und können mit entsprechenden Erfahrungen in konkreten Ausschreibungen agieren. Firmen, die zum ersten Mal in ein größeres Vergabeverfahren durchführen, erfahren oft schmerzhaft wie wichtig diese grundlegenden Vorarbeiten sind.
IT-Ausschreibungen sind ein weites Feld. Öffentliche Ausschreibungen, beschränkte oder offene Ausschreibungen, Ausschreibungen für konkrete Werkstücke (z.B. Software) oder IT-Prozesse (z.B. Application Management), Ausschreibungen für einen vollständigen IT-Betrieb oder solche für kleinere Einheiten – die Rahmenbedingungen sind so divers wie die Ziele. Was alle Ausschreibungen miteinander verbindet, ist die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung. Das ausschreibende Unternehmen sollte klar haben, was es will, von der Strategie bis zur Auswahl der Provider, mit denen man in die Verhandlung geht. Die Verhandlung selbst und der Auftrag sind noch einmal mal separat zu betrachten, auch sie bergen Fallstricke.
IT-Ausschreibungen – die häufigsten Fehler
Unklare Ziele eines Sourcing-Vorhabens, bzw. der Ausschreibung
Die Ziele eines Sourcing-Vorhabens können sehr unterschiedlich sein. Es beginnt bei Veränderungen der strategischen Ausrichtung, um z.B. Anforderungen der Fachabteilungen schneller und flexibler umzusetzen. Ziel kann auch sein, aktuelle Kosten zu reduzieren, Qualitäten zu verbessern oder einen bestehenden Fachkräftemangel auszugleichen.
Sind die Ziele, die durch die externe Vergabe von IT-Leistungen erreicht werden sollen, im Vorfeld einer Ausschreibung nicht klar definiert, sind die Probleme vorprogrammiert. Die strategische Anlage der zukünftigen Zielarchitektur, des geplanten Leistungsschnittes und die daraus folgende Ausschreibung der IT-Leistung gehen in die falsche Richtung und die gewünschten Anforderungen werden später nicht erfüllt. Obendrein erschwert eine unklare Zielsetzung die Beurteilung der Angebote der Anbieter.
Festgelegte Ziele, die durch eine mögliche Auslagerung erreichten werden sollen, ändern sich über die Laufzeit der Ausschreibung
Wenn z.B. bei der Zieldefinition und der Ausschreibungsplanung die Kosten nicht entscheidend sind, bei der Providerauswahl aber zum Entscheidungskriterium erhoben werden, läuft die Entscheidung allen anderen Zielen zuwider. Ursprüngliche Ziele werden missachtet und führen später zu einem verzerrten Bild des Angebotes, erhöhen die Aufwände in der Bewertung der Angebote und gefährden die Erfüllung eines möglichen Business Cases.
Der Scope und der Inhalt sind vom Auftraggeber nicht konkret beschrieben
Wenn der Scope, der Inhalt der Ausschreibung und die Leistungserbringung nicht sauber definiert sind, ist die angeforderte Leistung für den Anbieter nicht transparent.
Leistungsschnitte und geforderte Fertigungstiefen müssen in entsprechenden Anforderungs-Dokumenten und Leistungsbeschreibungen erkennbar sein. Auch sollte transparent sein, ob der Anbieter für die Übernahme des IT-Betriebs eine Transition oder Transformation erbringen muss. Andernfalls sind potenzielle Anbieter überfordert, ein qualitativ hochwertiges Angebot abzugeben, bei dem das Angebot zu der Forderung passt.
Vermerke in Ausschreibungsunterlagen, dass detaillierte Ausgestaltungen in die Transition verlagert werden, sorgen oft dafür, dass diese Anforderungen nicht mehr berücksichtigt werden und unter den Tisch fallen.
Unpräzise Leistungsanforderungen führen zu unpräzisen Angeboten. Damit erschwert sich der Kunde in der Folge den Vergleich und hat kaum noch eine Möglichkeit, eine belastbare Entscheidung zu fällen.
Der Scope des Leistungspaketes wird auf der Strecke verändert
Wenn sich der Scope im laufenden Ausschreibungsverfahren ändert, müssen Ausschreibungsunterlagen für eine veränderte Leistungserwartung aufwändig überarbeitet und an die neuen Anforderungen angepasst werden. Dies kann unter Umständen viel Zeit in Anspruch nehmen und die definierte Zeitplanung torpedieren. Ferner kann eine Vorauswahl der Anbieter ggf. hinfällig, werden, wenn diese am Ende nicht den Leistungsumfang liefern können, der gefordert wird.
Keine Longlist gebaut? (Unzureichende Auswahl der Anbieter)
Für die Ausschreibung ist eine geeignete Anzahl an Anbietern vorzusehen, welche ein Angebot abgeben sollen. Ist die Menge der Anbieter von Beginn an zu gering, hat man im weiteren Verlauf der Ausschreibung nicht die Möglichkeit, eine Markteingrenzung anhand definierter Bewertungskriterien durchzuführen, da man unter Umständen zu wenige Anbieter hat, mit denen man in die konkrete Preisverhandlung geht.
Unterschiedliche Lose werden an unterschiedliche Provider vergeben
Im ersten Schritt kann es vorteilhaft sein, für unterschiedliche Lose den besten Serviceprovider auszuwählen, den man anhand von qualitativen und quantitativen Kriterien ausgewählt hat. Im Verlauf der Betriebsdauer, die oft für 48 oder 60 Monate festgelegt ist, ist der Kunde in der Rolle der Providersteuerung und ist zu den unterschiedlichsten Themen mit den Serviceprovidern im Austausch. Muss man mit jedem Provider, der Leistungen erbringt, Schnittstellen, Prozesse, Verfahren, Gremien und Rollen und Verantwortlichkeiten definieren und leben, so ist das Tagesgeschäft sehr komplex. Flexibilität und Effizienz in der Leistungserbringung sind oftmals mit nur einem Provider besser zu erreichen.
Die Anforderungen des Auftraggebers und der Request for Proposal sind nicht direkt in einer Vertragsstruktur beschrieben
Ist die Beschreibung der Leistung in der Ausschreibung formlos gehalten, kann es passieren, dass Anbieter mit dem Angebot ihrerseits eine Vertragsstruktur vorlegen, in die das Vorhaben später gegossen werden soll. Liegt so ein Vertragsentwurf des Providers erst einmal auf dem Tisch, versetzt das den Kunden als Vergabestelle in eine defensive Verhandlungsposition, da die Anforderungen in der Sichtweise des Providers verhandelt werden.
Wird das Request for Proposal von vornerein vom Kunden in eine Vertragsstruktur gebracht, verhandelt er seine Anforderungen. Das versetzt ihn in eine deutlich bessere Verhandlungsposition, er sitzt im“driver seat“.
Nicht alle teilnehmenden Dienstleister haben dieselben Rahmenbedingungen
Generell gilt: alle Dienstleister haben dieselben Startbedingungen, haben dieselben RfP-Dokumente zur Verfügung und arbeiten mit denselben Informationen und Rahmenbedingungen. Dies bedeutet u.a., dass alle Dienstleister identische Leistungsbeschreibungen und Vertragsdokumente erhalten und auch nachgelagert aufkommende Fragen der Bieter transparent an alle Wettbewerber kommuniziert werden.
Ein seriöses Ausschreibungsverfahren zahlt sich dadurch aus, dass alle Anbieter die Möglichkeit haben, ein fundiertes und zugeschnittenes Angebot abzugeben, das die Leistungserbringung auf Basis identischer Anforderungen beschreibt. Nicht zuletzt erleichtert dieses faire Vorgehen die anschließende Auswertung der Angebote und erleichtert so die Arbeit.
Manchmal werden Ausschreibungen einem Dienstleister „auf den Leib geschneidert“, weil das politisch so gewollt ist. „Politisch“ kann auch „fachlich“ heißen, wenn z.B. ein Dienstleister schon an vielen Stellen gesetzt ist und man ihn gerne weiter als „Generalunternehmer“ sehen möchte. Hier gilt die umgekehrte Wahrheit (Intransparenz hilft, das politische Ziel zu erreichen).
Es werden keine konkreten Service Level definiert oder die definierten Service Level passen nicht zu den Anforderungen des Kunden und sind nicht mit entsprechenden Bedingungen hinsichtlich der Erfüllung beschrieben
Erbringt ein Service-Provider nach einem vergebenen Auftrag Leistungen für seinen Kunden, sind diese Leistungen so zu definieren, dass der Kunde klar erkennen kann, welche Service-Qualität er zu welchen Zeiten für welche Services erhält. Insbesondere für geschäftskritische IT-Leistungen ist es wichtig, klare Rahmenbedingungen zu schaffen,
- zu welchen Zeiten IT-Systeme mit unterschiedlichen Ausprägungen dem Kunden betriebsbereit nutzbar zur Verfügung gestellt werden,
- welche Mitarbeiter zu welchen Arbeitszeiten für die Bearbeitung von Serviceanfragen und Störungsmeldungen verfügbar sind,
- wie schnell und in welcher Form der Dienstleister für bestimmte Leistungen parat steht,
- welche Konsequenzen sich für den Provider ergeben, wenn er zugesicherte Eigenschaften und Servicequalitäten nicht in vertraglich vereinbarter Form erfüllt.
Extern eingekaufte IT-Dienstleistungen können nur dann in stabiler, betriebssicherer Qualität und in gewünschter Form geliefert werden, wenn die Rahmenbedingungen für den Provider klar und transparent sind. Vertragliche Pflichten sollten durch eine Pönalisierung (Zahlung einer definierten Summe) geregelt werden, welche auch zu den entsprechenden Service Leveln passt.
Zu glauben, mit Ausschreibungen und der Auslagerung von IT-Leistungen spart man immer Geld
Kunden bewältigen ihren IT-Betrieb mit einem entsprechenden IT-Budget, was sich oft % am Umsatz des Unternehmens orientiert. Viele Kunden gehen davon aus, dass eine Auslagerung ihres IT-Betriebs automatisch mit einer Kostenreduktion verbunden ist. Warum sonst würde man den IT-Betrieb auslagern? Tatsächlich ist dies nur dann der Fall, wenn die bisherige IT-Service Qualität, der Reifegrad und die Kostenstruktur des Eigenbetriebs nicht zu niedrig sind. Möchte man mit einer Ausschreibung z.B. auch seine IT-Service Qualität verändern, betriebssicherer oder flexibler werden, dann sind diese Anpassungen in der Kostenstruktur des Fremdbetriebes ablesbar.
Die Ausschreibung ist so aufgebaut, dass sie sich nicht für den Provider lohnen kann
Konkrete Servicebeschreibungen, spitze Service Level und eine sinnvoll gebaute Vertragsstruktur sind gute Hilfsmittel, um für einen zukünftigen stabilen und sicheren Fremdbetrieb gerüstet zu sein.
Eine Ausschreibung bzw. der Betrieb, den ein Service Provider für einen Kunden anbietet, müssen sich allerdings auch für ihn lohnen: – aus finanzieller Sicht, als potenzielle Referenz oder für den Aufbau dedizierter Serviceleistungen, die er auch an anderer Stelle vermarkten kann.
Insofern ist jede Ausschreibung mit Augenmaß zu realisieren, um auch sicherzustellen, dass potenzielle Anbieter während der Ausschreibung nicht abspringen. Denn auch das würde die Verhandlungsposition des Kunden gegenüber den verbliebenen Anbietern schwächen.
Juristische Bewertung vergessen? Am Ende spricht der Hausanwalt als Fachmann
Die juristische Prüfung von Ausschreibungsverträgen fördert ggf. noch die eine oder andere Veränderungsanforderung zutage (PingPong). Sie ist die letzte Instanz. Wer diesen Schritt nicht einplant, muss „nachsitzen“.
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