IT-Strategien bald mit Blockchain-Technologie?
Blockchain-Technologien werden für eine zukunftsorientierte IT-Strategie zunehmend interessanter. Unternehmen müssen sich aber die Frage stellen, was sie erreichen wollen, damit ein reeller Nutzen geschaffen wird.
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IT & Management Consulting, IT Strategy, IT-Sourcing
Bis zum Jahr 2027 werden laut World Economic Forum bis zu 10 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts über Blockchains erwirtschaftet. Grund genug, um sich bereits heute ausführlich mit der Technologie zu beschäftigen. Tatsächlich haben die aufkommenden Chancen der Blockchain-Technologie Einkehr in die Diskussionsrunden der Führungsebenen gefunden. Vor allem bei der Ausrichtung der langfristigen IT-Strategie sollte das Thema Blockchain Berücksichtigung finden, um die Möglichkeiten für das eigene Unternehmen frühzeitig zu erkennen. Entscheidungsträger sollten sich jedoch über die möglichen Auswirkungen der Technologien auf Prozesse und Branchen im Klaren sein.
Ob die Blockchain-Technologie disruptive Qualitäten hat, muss sich noch erweisen
Der publizistische Hype um Bitcoin, Blockchain & Co. verdeckt oft die Tatsache, dass sich die Technologie zurzeit noch weitestgehend in den Kinderschuhen befindet. Konkrete Use Cases werden zwar entwickelt, jedoch muss sich zeigen, welchen reellen Nutzen die Technologie zu erbringen imstande ist.
In vielerlei Hinsicht wird Blockchain als „disruptiv“ antizipiert, sogar als ähnlich wirkungsvoll wie die Erfindung des World Wide Web gesehen. Aus strategischer Sicht bekommt die Blockchain-Technologie schon heute nicht nur in der Finanzbranche eine außerordentliche Bedeutung zugewiesen.
Unzählige Unternehmen aus verschiedensten Bereichen der Industrie suchen bereits nach Einsatzmöglichkeiten und erforschen das Potential der durch Bitcoin bekannt gewordenen Distributed Ledger Technologie Blockchain. Globale Echtzeit-Transaktionen, Speicherung von Gesundheitsdaten und sogar ganze Regierungsapparate, die auf Blockchain-Basis agieren - ein Trend ist demzufolge längst zu erkennen. Selbst Zentralbanken untersuchen die Möglichkeiten eines zentralbankgestützten digitalen Assets.
Der Mehrwert der Blockchain muss strategisch und auch wirtschaftlich sein
Bevor Unternehmen den Schritt zu ersten Investitionen im Bereich der Blockchain wagen, sollte wie bei jeder anderen Investition genau abgesteckt werden, was von dieser erwartet wird. Gänzlich unstrukturierte Experimente ohne konkreten Anwendungsfall können schnell dazu führen, dass solche Projekte Unmengen an Geldern verschlingen. Es muss festgestellt werden, ob durch eine Investition in Blockchain-Technologien am Ende ein möglicher strategischer Mehrwert zu erreichen ist.
Dazu muss zu allererst verstanden werden, wie eine Blockchain funktioniert und was mit ihr verändert oder verbessert werden soll. Was ist die Strategie? Welche Aufgaben soll die Blockchain erfüllen? Soll die Technologie mit bestehenden Systemen interagieren können? Welche rechtlichen Anforderungen müssen erfüllt sein? Nur wenn diese Fragen geklärt sind, kann Blockchain zu einem echten Gamechanger werden.
Konzerninterne Verrechnung als Ernstfall und Use Case?
Zwei Drittel des internationalen Handels wurden im Jahr 2018 konzernintern abgewickelt. Die Einkunftsabgrenzung mittels interner Verrechnungspreise ist somit von sehr großer Bedeutung. Zwischen den verbundenen Gesellschaften werden oftmals zentrale (IT-)Services als Leistungen bezogen, die nach einer transparenten und bedarfsgerechten Verrechnung verlangen. Aus administrativer Sicht beinhaltet dies einen großen organisatorischen Aufwand, da Verrechnungspreise anhand von Intercompany-Verträgen im Vorfeld festgelegt werden müssen. Die Verrechnungspreisabwicklung ist dabei äußerst komplex und Informationsflüsse zwischen der Steuerabteilung, dem regionalen/globalen Controlling, Shared (IT-)Services, und teilweise externen Dienstleistern müssen koordiniert werden.
Eine solche Abstimmung und zusätzliche Überwachung einer effektiven Ausführung von Verrechnungspreisen birgt ein inhärentes Risiko. Für Verrechnungspreise gelten zusätzliche besondere regulatorische Aspekte hinsichtlich der Gestaltung und Überprüfung, da sie unter anderem Gewinnverlagerungen innerhalb eines Konzerns ermöglichen. Die OECD schreibt daher konzerninterne schriftlich fixierte Leistungsverrechnungen vor. Zusätzlich gilt es zu belegen, dass für den Leistungsempfänger auch tatsächlich eine Leistung erbracht wurde. Zudem erfordern Verträge eine regelmäßige Anpassung.
Zusätzliche Risiken entstehen bei der Weitergabe von Informationen sofern Transaktionen mehrere Jurisdiktionen durchlaufen müssen. Die Aufrechterhaltung eines korrekten Informationsflusses stellt wie auch in vielen anderen Bereichen eine der zentralen Herausforderungen dar.
Verrechnungspreismodelle durch Blockchain und Smart Contracts – ein Szenario
Hier kommen Blockchain-basierte Lösungskonzepte ins Spiel. Blockchains sind bekanntlich dezentral gespeicherte und darüber hinaus unveränderlich sequentielle Datenbanken zur Speicherung relevanter Informationen. Als solche können sie eine revisionssichere Archivierung von Verrechnungspreisen gewährleisten. Zusätzlich können Smart Contracts die dynamische Anpassung von Vertragsklauseln unterstützen und bei der Nutzung einer Leistung eine automatisierte Transaktion auslösen.
Anhand vorab definierter Regeln wird die Verrechnung der Leistung auf der Blockchain erfasst und gespeichert. So können die Grundlagen von Verrechnungspreismodellen auf der Blockchain abgebildet und völlig automatisch abgewickelt werden, ohne dass es weiterer menschlicher Beteiligung bedarf. Das spart Zeit und Geld. Durch die Implementierung der Blockchain wird gleichzeitig eine „single version of truth“ erzeugt, Informationsasymmetrien vorgebeugt und eine erhöhte Transparenz der Kostenstellen geschaffen.
Mithilfe von Smart Contracts kann durch automatisierte Prozesse eine höhere Rechtssicherheit geschaffen werden. Zudem könnte eine Vielzahl von Risiken minimiert werden, von Risiken durch menschliches Versagen über undurchsichtige Compliance Anforderungen bis hin zu veralteten Informationssystemen. Smart Contracts bieten in der Theorie enorme Fortschritte bei der Vereinfachung komplexer Sachverhalte. Zusätzlich können Blockchains den Ansprüchen von Steuerbehörden nach einer lückenlosen Aufzeichnung relevanter Daten gerecht werden oder ERP-Systeme effizienter machen.
„Intelligente“ SLAs im Outsourcing?
Blockchain und Smart Contracts wären bei einer korrekten Anwendung nicht nur ein Gewinn für die lückenlose Speicherung von Daten und Abwicklung von Verrechnungspreisen zwischen Service Providern und ihren Kunden. Sobald vertragliche Zusagen über eine Serviceleistung gemacht werden, muss die Erbringung dieser, sowohl bei Intercompany-Verträgen als auch Underpinning Contracts (UCs) mit Drittparteien, anhand von messbaren Service Level Agreements (SLAs) überprüft werden können.
Obwohl klar definierte SLAs bei der Zusammenarbeit mehrerer Parteien Vorteile bringen, ist aktuell dennoch viel menschliche Unterstützung bei der Überwachung und Durchsetzung von Vertragsbrüchen notwendig. Intelligente, auf Blockchain-basierte Verträge könnten auch hier ihren Beitrag leisten und mit einer automatisierten Abwicklung Effizienzvorteile schaffen.
Komplexe Outsourcing-Prozesse, bei denen eine Dokumentenprüfung und Überwachung der SLAs zwischen mehreren Parteien notwendig ist, könnten durch den Einsatz von Blockchain vereinfacht werden.
Die Ablösung einer konventionellen Durchführung und Abwicklung von Service Level Agreements zugunsten Blockchain-basierter Smart Contracts ist in den nächsten Jahren allerdings noch gänzlich unwahrscheinlich. Es besteht bereits ein zunehmendes Interesse an den Technologien und Unternehmen werden die Implementierung intelligenter SLAs in ihre Verträge vermehrt in Erwägung ziehen. Sollten diese einen ausreichenden Reifegrad erreichen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Blockchain hier zu einem wesentlichen Treiber neuer Vertrags- und Abwicklungsmodelle werden kann.
Blockchain – Zukunftsmodell oder schon heute einsatzfähig?
Technologischer Wandel stellt Unternehmen immer wieder vor neue Herausforderungen und bietet ihnen gleichzeitig Chancen. Insbesondere hoch innovative Technologien haben das Potenzial, die strategische Position innerhalb einer Branche massiv zu verändern. Unternehmen verlieren immer wieder ihre Marktposition innerhalb der eigenen Branche, wenn sie zu spät oder gar nicht auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und weiter an ihren überkommenen Geschäftsmodellen festhalten.
Ein First Mover Advantage kann durchaus verlockend sein und in gewissen Fällen auch sinnvoll, sofern er auf einem fundierten strategischen Konzept basiert. Andererseits kann eine verfrühte Investition in eine noch nicht bewährte Technologie auch schnell ins Negative umschlagen. So gesehen sollten Unternehmen ohne konkreten Use Case für eine Blockchain-Technologie noch Vorsicht walten lassen und nicht in Technologien investieren, die in vielerlei Hinsicht noch „verstanden“ werden müssen. Führungskräfte und Entscheider sollten durchaus über die Nutzung von Blockchain nachdenken, jedoch auch darauf achten, nicht blind zu investieren - nur weil es gerade angesagt ist. Ausgereifte, auf Blockchain-basierende Applikationen, die einen reellen Nutzen stiften, werden am Markt etabliert werden, wenn der Kosten-Nutzen-Faktor stimmt.
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