Die richtige Schulung für das Projektmanagement in der Praxis – IPMA (GPM) oder Prince2®?
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CIO Advisory, Hybrid Cloud, IT & Management Consulting, IT Strategy, Projektmanagement
Wenn Unternehmen ihr Projektmanagement professionalisieren wollen, stellt sich oft die Frage, welche Schulungen die Mitarbeiter besuchen sollen
Projekte sind es, die neben dem Tages- und Liniengeschäft jede größere Veränderung in den Unternehmensabläufen bewirken sollen. Heterogene Arbeitsgruppen scharen sich um die neue Aufgabe, manchmal nur intern besetzt, manchmal auch zusammen mit Lieferanten oder Beratern. Dem verantwortlichen Management stellt sich die Frage, wer im Projekt tätig werden soll, welche Kenntnisse und Erfahrungen die Mitarbeiter mitbringen müssen. Projektmanagement als Skill, als Best Practices, als Regelwerk – welcher Zugang ist richtig? Wolfgang Plemper, als Director bei noventum consulting verantwortlich für das Projektmanagement-Schulungsangebot und als Dozent mit diesem Thema in Hochschulen und Unternehmen unterwegs, kennt verschiedene Methoden: Prince2®, IPMA und andere Ansätze.
novum: Herr Plemper, mit welcher Empfehlung beantworten Sie die Frage „IPMA oder Prince2®? Oder gibt es noch mehr Alternativen?
Wolfgang Plemper: Ja, es gibt noch mehr durchdachte und seriöse Sichtweisen auf das Thema Projektmanagement. Aber schon in der Gegenüberstellung dieser beiden lässt sich die Grundfrage gut diskutieren.
novum: Was ist die Grundfrage?
Wolfgang Plemper: Wollen Sie in Ihrem Unternehmen eine strukturierte Vorgehensweise etablieren oder wollen Sie Ihren Mitarbeitern ein individuell abrufbares Rüstzeug für das Arbeiten in Projekten vermitteln?
Wenn im Projekt heterogene Interessen aufeinanderstoßen, hilft eine anerkannte Vorgehensweise
novum: Spiegeln Sie uns einmal die Ansätze von IPMA und Prince2® in dieser Frage?
Wolfgang Plemper: Nehmen wir den IPMA-Ansatz: Dieser international weit verbreitete Ansatz (in Deutschland durch die GPM Gesellschaft für Projektmanagement vertreten) versteht sich als eine Lehre des Projektmanagements und deckt sehr weitgehend die einzelnen Aufgabenstellungen, Grundtatsachen und Techniken ab, die die Praxis des Projektmanagements mit sich bringen kann. Dabei handelt es sich nicht um eine „Methode“ im Sinne einer Vorgehensweise, sondern um einen modularen Kompetenzpool. Dieser strebt weitgehende Vollständigkeit an, den roten Faden des eigenen Vorgehens muss man sich am Ende aber selbst ziehen.
novum: Ist das von Nachteil?
Wolfgang Plemper: Nein, nicht grundsätzlich. Viele Projektsituationen sind ja nicht einem systematischen Ansatz geschuldet, sondern komplex, individuell und manchmal auch wider den gesunden Menschenverstand. Da ist es dann schon von Vorteil, wenn alle Beteiligten das „Handwerkszeug“ beherrschen und entsprechend der Situation anwenden können. Im Besonderen für Techniken und Werkzeuge ist die IPMA Competence Baseline Version 3.0 (ICB 3.0) der IPMA ein hervorragendes Nachschlagewerk, auf dessen Basis sich ein Vorgehensmodell entwickeln lässt.
novum: Nachschlagewerke stehen oft rum und sind kaum „lesbar“. Wie ist das mit dem ICB 3.0 der IPMA?
Wolfgang Plemper: Um mit diesen Werken „arbeiten“ zu können, müssen Sie schon den Willen und die Fähigkeit haben, systematisch zu arbeiten und den einen oder anderen Transfer in die Praxis selbst herzustellen. Im übertragenen Sinne: Um eine fremde Sprache sprechen zu können, brauchen Sie Vokabeln und Grammatik. Um etwas Sinnvolles zu sagen, brauchen Sie einen Gedanken. Das eine geht nicht ohne das andere.
novum: Und diesen Gedanken verfolgt Prince2® in besserer Weise?
Wolfgang Plemper: Zumindest macht Prince2® ein Angebot, wie es gehen könnte. Dieser Ansatz definiert sehr ausführlich, wie ein Projekt konkret organisiert werden kann. Es legt verbindlich fest, wer in der Vorbereitung, Durchführung und beim Abschluss eines Projekts was wann zu tun hat. Wir haben es hier mit Rollenbeschreibungen, Kompetenz- und Entscheidungsstrukturen zu tun. Der idealtypische Ablauf eines Projektes wird präzise und ausführlich dargelegt. Mit Prince2® haben Sie einen Vorgehensplan.
Wissen ersetzt keine Erfahrung – Projektleitung ist eine anspruchsvolle Aufgabe
novum: Das klingt sehr einladend.
Wolfgang Plemper: Ja, vieles ist wirklich hervorragend durchdacht und man merkt jederzeit den starken Praxisbezug, wenn man sich auf die Prince2®-Erkenntnisse einlässt. Auch ist es so, dass sehr viele Projekte, denen wir als Berater begegnen, sich der Prince2®-Vorgehensweise bedienen. Das ist für eine erste Orientierung sehr hilfreich.
novum: Nennen Sie uns ein Beispiel?
Wolfgang Plemper: Nehmen Sie die Rolle des „Lenkungsausschusses“, der in der Prince2®-Vorgehensweise eine sehr zentrale Rolle einnimmt. Dieses projektführende Gremium ist eine sehr intelligente Konstruktion, die die verschiedenen Stakeholder an einen Tisch „zwingt“ und die verschiedenen Projektteile immer wieder erneut zum Gegenstand eines Einigungsprozesses macht. Die implizite Logik dieser Art von Projektleitung besteht in einem immer wiederkehrenden Anschub für die Erreichung des Projektzieles. Das ist sehr ergebnisorientiert.
novum: Klingt wie eine Anleitung zum Wohlverhalten. So kann also nichts mehr schiefgehen im Projekt?
Wolfgang Plemper: Doch! Solange Menschen im Projekt arbeiten, ist natürlich auch Platz für Einzelinteressen, Dummheit, Intrigen und andere Erfolgshemmer. Die grundlegende Einigung auf eine Vorgehensweise ist aber schon von großem Vorteil!
novum: Welche Schulung empfehlen Sie nun unter dem Strich, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter fit machen wollen für den Projektalltag?
Eine Frage der Perspektive: PM-Schulung für die Mitarbeiter oder für das Unternehmen?
Wolfgang Plemper: Wenn Mitarbeiter sehr wenig oder keine Erfahrung in der Projektarbeit haben, ist ein Einstieg in das Thema über die kompakten Prince2®-Schulungen ein guter Anfang. Das große Ganze einordnen zu können und damit zu wissen, wie in einem komplexen Projekt die Dinge ineinandergreifen, hilft sehr. Auch wenn es darum geht, ganz generell Projektmanagement-Strukturen im Unternehmen zu etablieren, ist Prince2® der richtige Einstieg.
Zeitlich aufwändiger und mehr auf die Qualifikation des Einzelnen abgestimmt ist das IPMA-GPM-Schulungsmodell. Es setzt eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema in Gang und vertieft die Kenntnisse spezieller Techniken und Fertigkeiten. Für Menschen mit eigenen Projektmanagement-Erfahrungen ist es eine sehr wertvolle Vertiefung, die vor allem zukünftigen Projektleitern eine große Hilfe sein kann.
novum: Was ist Ihre ganz persönliche Erfahrung mit den verschiedenen Schulungsangeboten?
Wolfgang Plemper: Mit der einen wie mit der anderen Methode habe ich viel gelernt. Was beiden Lehransätzen für mein Empfinden etwas fehlt, ist eine wirklich kompetente Hinführung in die Führungsrolle. Beide Ansätze, über die wir hier gesprochen haben, können ihre Herkunft aus der Ingenieurswissenschaft nicht wirklich verleugnen. Und das ist nun einmal keine Humanwissenschaft. Ingenieure denken modular und funktional. Menschen und menschliche Zusammenhänge folgen aber anderen Gesetzmäßigkeiten. Was ich damit sagen will, ist, dass menschliche Erfahrung, Sensibilität, Nachdenklichkeit und emotionale Stärke ebenfalls zum Rüstzeug eines guten Projektmanagers gehören sollten. Aber das erwirbt man woanders.
novum: Vielen Dank für das Gespräch.
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