Braucht eine agile Organisation noch eine IT-Strategie?
Wie muss sich die IT aufstellen, um die Ziele des Unternehmens / der Organisation bestmöglich zu unterstützen?
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Agile IT Organisation, Agile Work, IT Strategy
Die IT-Strategie ist ein wichtiger Baustein in der Planung und Weiterentwicklung einer IT, unabhängig davon, ob sie als Abteilung, Geschäftsbereich oder auch als Gruppenunternehmen organisiert ist.
Die IT-Strategie definiert die Ziele und stellt sicher, dass die IT die Geschäftsziele des Unternehmens versteht und sich an diesen ausrichtet. Insofern ist die jährliche Überprüfung der IT-Strategie eine gute Gelegenheit zu prüfen, ob die IT noch die richtigen Dinge priorisiert und ihre Fähigkeiten und Ressourcen an den Bedürfnissen der Fachbereiche und internen Kunden ausrichtet.
Die Prämisse einer IT-Strategie – wenn sie denn ernst gemeint ist und nicht nur die interne Compliance erfüllen soll – lautet „Wie muss sich die IT aufstellen, um die Ziele der Organisation / des Unternehmens bestmöglich zu unterstützen?“.
Inhalt:
- Wie muss sich die IT aufstellen, um die Ziele des Unternehmens / der Organisation bestmöglich zu unterstützen?
- Agile Organisationen legen Wert auf Flexibilität
- Was macht eine gute IT-Strategie aus?
- Das Leitbild der IT
- Bewertung der Situation
- Strategisches Zusammenarbeitsmodell
- Die Leitlinien der IT-Strategie
- Maßnahmen zur Erreichung der IT-Strategieziele
- Einbindung der IT-Strategie
- IT-Strategie-Roadmap und Zeitplan
- Zusammenfassung: Braucht eine agile Organisation noch eine IT-Strategie?
Wie muss sich die IT aufstellen, um die Ziele des Unternehmens / der Organisation bestmöglich zu unterstützen?
In der Praxis wird in einem internen Projekt die IT-Strategie einer Organisation erstellt oder überarbeitet, oft für einen mehrjährigen Betrachtungsraum von 3 bis 5 Jahren. Die IT-Strategie wirkt also über einen längeren Zeitraum und arbeitet dazu mit Annahmen und auf Basis von Fakten und Zielen, die zum Zeitpunkt der Erstellung relevant und aktuell sind.
Aber, und damit kommen wir zur Kernfrage, welchen Nutzen kann eine IT-Strategie für ein Unternehmen haben, welches sich für eine skalierende, agile IT-Organisation entschieden hat?
noventum consulting hat mit dem Beratungsschwerpunkt CIO Advisory eine Vielzahl von Projekten in den Themenbereichen „IT-Strategie“ und „Adaptive IT“ durchgeführt und zeigt in diesem Beitrag den Nutzen einer IT-Strategie für eine Agile@Scale Organisation auf.
Eine Agile@Scale Organisation ist ein Unternehmen, das agile Prinzipien, Denkweisen und Praktiken in allen Bereichen seiner Organisation anwendet. Das bedeutet, dass agile Methoden nicht nur auf Teams und Projekte, sondern auch auf Programme, Portfolios und die gesamte Organisation angewendet werden.
Agile Organisationen legen Wert auf Flexibilität
Agile Organisationen haben an sich den Anspruch, sich schnell und flexibel an Veränderungen anzupassen. Sie sind in der Regel schlank und effizient organisiert und setzen auf agile Methoden und Tools. Sie legen großen Wert auf die flexible Zusammenarbeit und arbeiten in cross-funktionalen Teams, um schnell und effektiv Ergebnisse zu erzielen und sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, sich zu verbessern.
Eine agile Organisation hat mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch eine agile IT-Organisation. Es gibt eine Reihe von skalierenden agilen Modellen, die Unternehmen nutzen, um ihre IT-Organisationen zu skalieren. Zu den bekanntesten Modellen gehören:
- Scaled Agile Framework (SAFe®): SAFe ist ein umfassendes Framework, das Unternehmen dabei hilft, agile Methoden und Praktiken auf große Organisationen zu skalieren.
- Large Scale Scrum (LeSS): LeSS ist ein Framework, das Scrum auf große Teams und Organisationen skaliert.
- Spotify®: Ein Modell, das gar kein Framework sein will; mit Fokus auf Autonomie, Zusammenarbeit und der Organisation von Arbeit
Was für alle skalierenden agilen Modelle gilt: Sie legen höchste Priorität auf die Flexibilität bei der Aufgabenplanung und Arbeitsorganisation und basieren auf einem agilen Mindset.
Ein agiles Mindset ist ein Satz von Werten und Prinzipien, die Organisationen und Teams dabei unterstützen, Veränderungen zu akzeptieren und sich ihnen effektiv anzupassen. Es ist entscheidend für die Förderung einer Kultur des kontinuierlichen Lernens, der Anpassungsfähigkeit und der Innovation.
Übertragen auf eine Organisation bedeutet „agil“, dass das Management sowie die Steuerung von Projekten und Prozessen dynamisch und flexibel erfolgen. Eine geringere Planungs- und Führungsintensität ermöglicht die schnelle Umsetzung eines Projekts, eine hohe Anpassungsfähigkeit und große Eigenverantwortlichkeit.
Was macht eine gute IT-Strategie aus?
Um zu entscheiden, ob eine klassische IT-Strategie überhaupt einen Nutzen für eine agile Organisation hat, schauen wir uns die Bausteine einer IT-Strategie an und bewerten diese aus Sicht einer agilen Organisation.
Als Ergebnisdokument einer IT-Strategie hat sich folgende Struktur bewährt:
- Leitbild der IT
- Bewertung der Situation
- Strategisches Zusammenarbeitsmodell
- Leitlinien der IT-Strategie
- Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele
- Einbindung der IT-Strategie
- IT-Strategie Roadmap und Zeitplan
Eine IT-Strategie erstellt sich nicht von allein. Sowohl die Struktur als auch die Inhalte der IT-Strategie müssen von IT-Verantwortlichen der Organisation erarbeitet, diskutiert und beschlossen werden. Die Beteiligung von Management und Experten ist hierbei äußerst sinnvoll und eine Voraussetzung für die spätere, erfolgreiche Umsetzung. Denn auch hier gilt: Der Weg ist das Ziel!
Anekdote aus dem noventum Beratungsalltag: Während der ersten Workshops zur Überarbeitung einer IT-Strategie für ein mittelständisches, produzierendes Unternehmen wurden wir vom CIO – nur halb zum Spaß – gefragt, ob wir die bereits bestehende IT-Strategie nicht in Zahlung nehmen könnten: sie sei so generisch, dass wir sie problemlos bei anderen Kunden einsetzen könnten und – sie sei noch nahezu unbenutzt!
Das Leitbild der IT
Die Grundpfeiler der IT-Strategie sind die Erwartungen, die das Unternehmen an die IT hat und das Bekenntnis der IT-Organisation, wie sie diese Erwartungen erfüllen will.
Daher gehört zu den ersten Schritten ein klares Verständnis über die Unternehmensstrategie und -ziele und die Ableitung der strategischen Ziele der IT aus den Geschäftsanforderungen. Bewährt hat sich hierbei die Formulierung eines Leitbilds oder auch Vision und Mission der IT. In diesem Leitbild wird die Rolle und der eigene Wertbeitrag der IT-Organisation beschrieben und selbstbewusst in die eigene Organisation getragen.
Der Anspruch, ob die IT sich als Business Enabler und Digitalisierungspartner aufstellt und welchen Wertbeitrag die Geschäftsführung bei der IT sieht, ist für die Ableitung der strategischen Ziele der IT essenziell.
Dies gilt auch und besonders für agile Organisationen, die agile Teams in skalierenden Modellen (Agile@Scale) einsetzen.
Bewertung der Situation
Für eine realistische IT-Planung muss man sich auch den Realitäten stellen; was ist in der Vergangenheit gut gelaufen, was nicht? Wie weit ist man den eigenen Ansprüchen und den strategischen Zielen gerecht geworden? Was fehlt noch, um den eigenen Anspruch zu erfüllen?
Zur Beantwortung dieser Frage hilft es, die klassische SWOT-Analyse durchzuführen.
SWOT steht für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken). Es ist eine Analysetechnik, die verwendet wird, um die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken einer IT-Organisation zu bewerten.
Die Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen, insbesondere über die Erreichung der festgelegten strategischen Ziele und der Erwartungshaltung aus dem Leitbild, werden durch eine Gap-Analyse zu Handlungsfeldern und ersten Maßnahmen für die spätere Operationalisierung der IT-Strategie.
Eine Gap-Analyse ist eine vergleichende Analyse, die den Unterschied zwischen dem aktuellen Zustand und dem gewünschten zukünftigen Zustand der IT identifiziert und hilft, ihre aktuellen Fähigkeiten zu bewerten und Bereiche für Verbesserungen (= Handlungsfelder) zu identifizieren.
Als Ergebnis dieses Schritts haben wir eine Liste von Handlungsfeldern und zum Teil auch schon konkreten (strategischen) Maßnahmen erarbeitet, wie sich die IT entwickeln muss, um dem Anspruch und den strategischen Zielen näher zu kommen.
Strategisches Zusammenarbeitsmodell
Ein unmittelbares Ergebnis des Leitbilds und der Vision und Mission ist die Diskussion über die Zusammenarbeit zwischen der IT-Organisation und den Fachbereichen, mit externen Dienstleistern und weiteren Stakeholdern. In einem Zielbild werden Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert und beschrieben; dazu gehören auch die Abstimmung und Klärung der Mitwirkungen und der Verantwortungsübergänge.
In klassischen Organisationen wird eher hierarchisch und arbeitsteilig geplant. Agile@Scale Organisationen legen hingegen Wert auf eine Ende-zu-Ende-Sicht der Verantwortung. Statt RACI-Tabellen vorzugeben, wird der Wertstrom (Value Stream) analysiert und umfassende Verantwortung an interdisziplinäre Teams vergeben.
RACI ist ein Methode zur Zuweisung von Verantwortlichkeiten für Aufgaben oder Aktivitäten. Sie wird häufig in Projektmanagement, Prozessmanagement und anderen Bereichen eingesetzt, in denen es wichtig ist, klar zu definieren, wer für was verantwortlich ist.
Die Leitlinien der IT-Strategie
Nachdem im ersten Schritt der Auftrag und der Anspruch an die IT-Organisation klar definiert, die Handlungsfelder identifiziert und das bestmögliche Zusammenarbeitsmodell erarbeitet wurden, ist es nun an der Zeit, an grundsätzlichen Leitlinien für zukünftige Entscheidungen zu arbeiten.
Diese Leitlinien können auch als Teilstrategien innerhalb der IT-Strategie betrachtet werden, wie beispielsweise die Sourcing-Strategie, EAM-Strategie oder Personalstrategie, zumindest auf einer hohen Abstraktionsebene.
Leitlinien sind grundsätzliche Entscheidungen, die sich aus den strategischen Zielen ergeben. Sie helfen bei fachlichen Entscheidungen, da die Grundsätze für bestimmte Handlungsfelder bereits festgelegt wurden.
Strategische Leitlinien beschreiben ganz allgemein grundsätzliche Positionen, z. B. über
- Hersteller-, Lieferanten-, oder Architekturentscheidungen (SAP-first, Virtualisierung, …)
- Cloud-Einsatz (Technologien, cloud-only, preferred Hypervisor)
- Sourcing (Make-or-Buy-Entscheidungen, Shoring und Lieferantenauswahl)
- IT-Sicherheit (Compliance-Regeln, Technologien und Standards)
- Personal (Bedarfe, demografischer Wandel, Personalentwicklung, Wissenstransfer)
- Agile@Scale Methoden und Mindset (Frameworks, agile Grundsätze, Tools, Training)
- Innovation & Beratung (Trendscouting, Kooperationen und internes Consulting)
- …
Die Leitlinien werden unabhängig vom Einzelfall erarbeitet, definiert und vereinbart. Es muss ein Prozess etabliert werden, um alle operativen Entscheidungen an den Leitlinien zu bewerten. Abweichungen von den Leitlinien sind möglich, wenn die Folgen klar sind und bewusst in Kauf genommen werden.
Die Leitlinien unterstützen agile Organisationen bei der autonomen Bearbeitung von Aufgaben. Es gibt keine übergeordnete Entscheidungsinstanz. Alle agilen Teams orientieren sich an den Leitlinien der Organisation und können in diesem Rahmen frei agieren.
Maßnahmen zur Erreichung der IT-Strategieziele
Aus den vorherigen Kapiteln ergeben sich viele offene Aufgaben, Handlungsfelder und konkrete Veränderungsbedarfe. Es kann sich dabei um organisatorische Maßnahmen handeln, wie zum Beispiel die Verbesserung des Anforderungsmanagements, um auch agiles Projektmanagement zu ermöglichen, oder um technische Maßnahmen, um die Cloud-Leitlinien zu erfüllen. Diese Maßnahmen müssen beschrieben, ihr Umfang und ihre Auswirkungen ermittelt und ihre Kosten und Nutzen bewertet werden.
Im klassischen Projektmanagement werden ähnliche Maßnahmen zu Projekten und ab einer bestimmten Größe zu Programmen zusammengefasst und in Projekt Scope Dokumenten beschrieben. In agilen Organisationen werden die Aufgaben hingegen in Storys und Epics festgelegt. Dabei wird auch hier die Umsetzung nicht detailliert geplant, sondern der Endzustand als 'Definition of Done' (DoD) beschrieben.
In beiden Szenarien werden die Aufgabenpakete in einem Aufgabenspeicher (Backlog) abgelegt. Die strukturelle Planung erfolgt erst später.
Im klassischen Organisationsmodell wird üblicherweise ein Programm über die strategischen Projekte aus der IT-Strategie gespannt und ein Programm-Manager überwacht die Umsetzung der Projekte durch klassisches Reporting über den Projektstatus und die Erreichung der Projektziele.
In agilen Organisationen gibt es je nach agilem Framework verschiedene Methoden zur Umsetzung strategischer Maßnahmen. Unabhängig davon, ob eine strategische Initiative, ein Epic Backlog oder ein Release Train zum Einsatz kommt, müssen die Aufgaben bei den richtigen Teams landen. Hierbei kann eine stufenweise Aufgabenplanung wie das Flight Level Modell helfen.
Das Flight Level Modell unterteilt die Arbeit einer Organisation in drei Ebenen. Flight Level 1: Hier findet die operative Arbeit der einzelnen Teams statt. Flight Level 2: Hier koordinieren sich die Teams und Produkte. Flight Level 3: Hier erfolgt die strategische Planung und Steuerung.
Einbindung der IT-Strategie
Im nächsten Schritt geht es um die Umsetzung unserer IT-Strategie und der dazugehörigen Maßnahmen und Handlungsfelder. Das Kapitel beschreibt die strukturellen Abläufe, die eine erfolgreiche Umsetzung der IT-Strategie ermöglichen sollen.
Dazu gehört im ersten Schritt die Etablierung der zukünftigen Rolle der IT, wie sie im Leitbild formuliert wurde. Hierfür müssen Entscheidungen getroffen, Verantwortlichkeiten geklärt und Personen sowie Rollen in Entscheidungsprozesse integriert werden. Alle Beteiligten müssen über die geänderte Rolle der IT und ihre Ermächtigungen und Durchsetzungsmöglichkeiten informiert werden. Dazu nutzen wir klassische Methoden des Stakeholder- und Change Managements.
Wenn die Rolle der IT dies erfordert, wird sie in wesentliche Entscheidungs- und Führungsgremien aufgenommen, wie z. B. die Gremien zur Unternehmensentwicklung, Budgetierung und Forecast, F&E und Produktionsplanung.
Ein weiterer wichtiger Teil der Umsetzung der IT-Strategie ist der Aufbau eines Steuerungs- und Analysemodells für die Umsetzung der strategischen Maßnahmen.
Als agile Methode zur Aufgabenfindung und Überwachung der Zielerreichung hat sich OKR etabliert. Unternehmen, Organisationen und Teams verwenden OKRs, um ihre Ziele zu definieren, zu verfolgen und zu messen.
IT-Strategie-Roadmap und Zeitplan
Der letzte Teil der IT-Strategieplanung besteht darin, eine Roadmap zu erstellen, um die Abhängigkeiten der strategischen Maßnahmen auf Programmebene zu beschreiben. Die IT-Roadmap umfasst alle strategischen Maßnahmen auf einer Zeitskala für die nächsten Jahre.
Die Roadmap visualisiert die großen Meilensteine, die zur Erreichung der strategischen Ziele notwendig sind und stellt den Zusammenhang zwischen der Business-Strategie, der IT-Strategie und den strategischen Programmen her. Die IT-Strategie muss sich am Erreichen der strategischen Meilensteine messen lassen.
Eine IT-Strategie-Roadmap ist in klassischen und agilen Organisationen sinnvoll und notwendig.
Zusammenfassung: Braucht eine agile Organisation noch eine IT-Strategie?
Ja, auch und gerade eine agile Organisation braucht eine IT-Strategie. Eine IT-Strategie ist ein Rahmenwerk, das die IT-Ziele und -Prioritäten eines Unternehmens definiert. Sie muss die Geschäftsziele des Unternehmens unterstützen und die IT-Ressourcen und -Kapazitäten so einsetzen, dass diese Ziele erreicht werden. Agile@Scale kann eine geeignete Methode sein, um dies zu erreichen.
Agile Organisationen sind schnell und anpassungsfähig. Sie müssen in der Lage sein, sich schnell auf Veränderungen im Geschäftsumfeld und bei den Kundenbedürfnissen einzustellen. Diese Agilität ist eine wichtige Eigenschaft der IT, wird aber erst durch strategische Projekte, die richtige Positionierung der IT im Unternehmen und ein agiles Zusammenarbeitsmodell ermöglicht.
Auch agile Teams setzen sich langfristige Ziele im Sinne eines “Purpose”; sie skizzieren einen groben Weg, planen aber immer nur die nächsten Schritte.
Eine IT-Strategie kann helfen, Agile@Scale zu etablieren, indem sie die agilen Methoden und Praktiken definiert, den Weg ebnet und die Umsetzung gegen alle Widerstände vorantreibt.
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