Vom Taylorismus zu EFQM – Unternehmenssteuerung mit Kennzahlen
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Data & Analytics
Eine smarte Art und Weise, den Weg vom Ist-Zustand zur Vision des Unternehmens zu planen
Was hat ein Performance Measurement System mit Qualität zu tun? Wer sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, der wird schnell feststellen: Sehr viel! Performance Measurement System, das ist der „neudeutsche“ Begriff für ein Kennzahlensystem. Und Kennzahlen bzw. statistische Maßzahlen, das waren seit eh und je unbestreitbare Belege für eine im Vorhinein festgelegte Produkt- oder Prozessqualität. Schon Taylor hat begonnen, die Produktivität von Fließbandarbeitern in Zahlen festzuhalten. Damaliger Qualitätsanspruch an Arbeitsprozesse war demzufolge die Schnelligkeit. Doch der Taylorismus sowie der reine Produktionsbetrieb spielen schon länger eine untergeordnete Rolle. Dienstleistungen lösen die produzierende Industrie von ihrer vorherrschenden Rolle in der Wirtschaft ab, und damit ändern sich auch Prozesse, Strategien und Kennzahlen.
Den Blick nicht nur rückwärts richten
In den Kennzahlen, die in Unternehmen betrachtet wurden und werden, spiegelt sich diese wirtschaftliche Entwicklung wider. Bis in die 80er Jahre standen rein quantitative Größen der Bilanz und GuV im Mittelpunkt der Theorie und Praxis. Kennzahlen wie Working Capital oder ROI ließen schnelle Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu. In kapitalmarktorientierten Zeiten rückten zusätzlich wertorientierte Kennzahlen wie EVA, Kurs-Gewinnverhältnis, Dividende und Rendite in den Fokus des Managements und ergänzten das Reporting. Dem Shareholder Value wird allgemein mehr Bedeutung denn je zugemessen. Die Kritik an diesen quantitativen Erhebungen ist nicht grundsätzlicher Art, sie bezieht sich auf deren Kurzfristigkeit und Vergangenheitsorientierung. Man forderte daher zunehmend Steuerungskennzahlensysteme, die ein ausgeglichenes Bild von kurz- und langfristigen Kennzahlen zeigen sollten.
Zahlen und Strategie verbinden
Kaplan & Norton‘s Balanced Scorecard revolutionierte 1992 das Performance Measurement. Angesichts der problematischen Eindimensionalität von Finanzzahlen betont sie ein ausgeglichenes Bild von quantitativen und qualitativen Kennzahlen. Kaplan und Norton nennen dies eine Balance aus Treiber- und Ergebniskennzahlen. Diese sollen mit den Unternehmensstrategien verknüpft sein, denn nur so kann sichergestellt werden, dass die richtigen steuerungsrelevanten Kennzahlen berichtet und die Unternehmensziele erreicht werden. Performance Measurement repräsentiert insbesondere diese Verbindung von Kennzahlen und Strategien und die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen ihnen. Weithin besteht aber Unsicherheit bezüglich der stringenten Übersetzung der Strategie in Ziele und damit der praktischen Umsetzung der Balanced Scorecard. Eine unternehmensweite Kommunikation und Implementierung ist zudem sehr aufwendig.
Wettbewerbsvorteile durch Lerneffekte
Was die Balanced Scorecard in ihrer Eigenschaft als Performance Measurement System und Qualitätsmanagement gemeinsam haben, ist die Betonung der Lernprozesse – der kontinuierlichen Verbesserung. So sind zwei vermeintlich völlig verschiedene Disziplinen von Anfang an miteinander verbunden. Performance Measurement sollte ursprünglich im Rahmen des Qualitätsmanagement ebensolche Qualitätsinitiativen stützen, die neben dem Tagesgeschäft zu absolvieren sind. Durch ihren engen Strategiebezug wurden Performance Measurement Systeme dann so umfangreich, dass sie eine Organisation und ihre Erfolgsfaktoren auf einen Blick zusammenfassen. Der Qualitätsbegriff i.e.S. ist aus dieser Perspektive nur ein Teil des Ganzen.
Qualitätsmanagement wird weitestgehend assoziiert mit den ISO-Normen. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, Qualitätsmanagement in den Organisationen weltweit zu standardisieren. Mit Performance Measurement i.S.v. Strategieanbindung und Verbesserungsprozesse initiieren hat das nur wenig zu tun. Ein ISO-Zertifikat wird aber nach wie vor von vielen Kunden gefordert, und die Unternehmen sehen sich daher gezwungen, die Auditierung durchzuführen.
ISO und Balanced Scorecard mit EFQM kombinieren
Eine Alternative bietet hier z.B. das Business Excellence Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM). Es kann mit der Balanced Scorecard und/oder ISO kombiniert werden. Ein Unternehmen muss demzufolge seine Vorgehensweisen auf der sogenannten Befähigerseite wie Führung, Strategie, Mitarbeiter/-innen, Partnerschaften & Ressourcen sowie Prozesse, Produkte & Dienstleistungen fundiert und integriert einsetzen sowie die aus ihnen resultierende Ergebnisseite (Mitarbeiter-, Kunden-, gesellschaftsbezogene und Schlüsselergebnisse i.S.v. Finanz- und Prozessergebnisse) bewusst steuern und verbessern. Dies gelingt durch Selbstbewertung und Vergleich mit den Besten (Benchmarking). Indem es Ergebnisse nach Messgrößen und Indikatoren unterscheidet, unterstützt EFQM auch den Aufbau eines systematischen und ausgeglichenen Kennzahlensystems (siehe auch den Beitrag von André Moll: „Der Excellence Ansatz der EFQM“, S. 40 - 42).
Letztlich hat jedes Unternehmen individuell zu entscheiden, welche Modelle, Systeme und Kennzahlen es einsetzt und welchem Trend es damit folgt. Ihm ist dabei aber zu empfehlen, sich die ursprüngliche Herkunft des Performance Measurement als Verbesserungsinstrument vor Augen zu halten und auch zu wissen, dass die sogenannte Performance Revolution längst nicht abgeschlossen ist. Softwarehäuser wie SAP, Oracle u.v.m. haben die Thematik längst aufgegriffen und entwickeln Anwendungen zur IT-gestützten Performanceberichterstattung. Ein weiteres aktuelles Thema der Performance Measurement-Theorie ist z.B., wie durch die Berechnung von Humankapital (Intellectual Capital) der Unternehmenswert besser zu bestimmen ist. Im Dienstleistungsbereich klafft immer noch eine große Wissenslücke zur Messbarkeit von Produktivität, die zu füllen ist. Und es herrscht Uneinigkeit über die Bewertung von unternehmerischer Innovationskraft.
Die Entwicklung auf dem Wege zu einer umfassenden Unternehmenssteuerung geht also weiter.